Skizzen: Arbeitstiere für das fertige Bild


Skizzen werden unter Malern immer wieder heiß diskutiert und beäugt. Der eine sagt, es liegt ihm gar nicht zu skizzieren, der andere sagt, er skizziert lieber viel und schnell als ewig an der Staffelei zu stehen um flüchtige Momente festzuhalten. Aber irgendwie wissen am Ende doch alle, dass Skizzen weiterhelfen können, und jeder fühlt das schlechte Gewissen in sich aufsteigen, wenn er die Skizzen sträflich vernachlässigt - da bin ich keine Ausnahme!

Ich habe wirklich lange gebraucht um zu erkennen, welches Potential in Skizzen steckt. Und ich denke das lag daran, dass ich lange Zeit den Sinn und Zweck meiner Skizzen nie so richtig definiert hatte. Da habe ich mal hin und wieder den Stift gezückt, eine Landschaft oder eine Situation versucht einzufangen. Danach wurde das Skizzenbuch zugeklappt, ich habe mich irgendwie gefreut ein bisschen gemalt zu haben, aber die Skizze selbst habe ich danach nicht mehr weiter benutzt.

 

Und genau das hat sich im Laufe der Zeit ziemlich stark verändert. Natürlich bieten sich Skizzen an, wenn man wenig Platz oder Zeit hat, oder wenn man zwischendurch nur mal schnell ein paar Eindrücke festhalten will. Und auch das mache ich gern. Aber mittlerweile habe ich gelernt Skizzen zu nutzen um wirklich mit ihnen zu arbeiten. Sie sind für mich Schritt für Schritt zu einer Möglichkeit geworden Gedankenstütze zu sein, mehrere Möglichkeiten für das spätere Bild in Betracht zu ziehen, die beste dabei rauszufiltern. Skizzen sind für mich längst bedeutend mehr geworden als nur etwas, das Momente skizziert, einfängt und ein bisschen das Auge und die Finger trainiert.

Zu fast jedem Bild, das ich male, gibt es Skizzen. Es hat mich Mühe, Unmut und viele Streitgespräche mit meinem inneren Schweinehund gekostet, das so zu etablieren. Aber es ist tatsächlich so, dass ich inzwischen viele Dinge in Skizzen ausprobieren will, bevor ich mit dem eigentlichen Bild loslege, das gibt mir einfach mehr Sicherheit. Es tut den Bildern gut, wenn man über einige Dinge, die die Bildwirkung beeinflussen, im Voraus nachdenkt. Und die Qualität des Bildes verbessert sich dadurch ganz enorm!

Beim Malen selbst kamen mir häufig Fragen in den Sinn wie Was wäre, wenn ich das Blau hier mehr in eine grünliche Richtung malen würde? oder Kann das Haus da nicht weg? Oder fehlt dann was im Bild? Diese Fragen sind so leicht und schnell mit einer kleinen Skizze zu klären! Das kostet mich keine 5 Minuten, sagt mir aber sofort, ob ich von dem Grün besser die Finger lasse, oder ob ich das störende Haus zwar nicht wegnehmen, aber einfach kleiner malen kann, damit es nicht mehr stört. Irgendwo habe ich mal von einem anderen Künstler gelesen, dass man die kleine Stimme beim Malen, die mit dem Was wäre, wenn... um die Ecke kommt, nicht ignorieren sollte, wenn man sich weiterentwickeln will. Man kann durch Skizzen wunderbar herausfinden, ob man auf sie hören sollte.

Mittlerweile sieht man meinen Skizzen auch an, dass ich mit ihnen arbeite, und nicht nur vor mich hin skizziere um eine nette Erinnerung an einen Ort zu erhalten. Tonwertskizzen helfen mir dabei zu entscheiden, ob helle und dunkle Bereiche im Bild wirklich richtig verteilt sind, oder ob ich nicht doch noch etwas ändern muss um die Bildwirkung zu verbessern. Gleichzeitig mit den Tonwerten lege ich die großen Formen fest und sehe, ob die Komposition prinzipiell stimmt. Ist nicht doch ein Hochformat besser? Oder ein Quadrat? Wenn man diese Fragen mit ganz kurzen, kleinen Skizzen im Voraus klärt, steht man hinterher nicht mehr angenervt und frustriert vor dem Bild und denkt Argh, hätte ich das bloß anders gemacht! Diese Entscheidungs- und Nachdenkarbeit erledigen Skizzen für mich vorneweg.

Zur festen Routine gehört mittlerweile auch eine kurze Skizze zu den hauptsächlichen Linien und Kontrasten im Bild. Sofort sieht man, ob die starken Linien im Bild durcheinander gehen, sich gegenseitig stören oder miteinander arbeiten und den Blick des Betrachters auf den Fokus im Bild lenken. Muss ich/kann ich durch kleine Änderungenen in der Linienführung nicht eine viel bessere Bildwirkung erreichen? Kann ich durch einen Tonwert- oder Farbkontrast wichtige Stellen im Bild viel besser betonen? All das zeigen mir meine kleinen Skizzen vorweg.

Ich schreibe auch gern wichtige Dinge zu den Skizzen auf. Wo muss ich aufpassen, welche Stelle oder Farbe hat besondere Bedeutung? Muss ich irgendeine Stelle von der Vorlage definitiv verändern?

Auch gerade draußen helfen mir Skizzen weiter. Wenn ich "nur" Fotos machen kann oder will, schreibe ich mir trotzdem gern ganz grob auf, was ich an dem Motiv so toll finde, dass ich es für malens- oder fotografierenswert halte. Eine bestimmte Farbe, ein Hell-Dunkel-Übergang, ein bestimmter Kontrast, welche Stimmung war dort? Wenn man diese Dinge einmal kurz aufschreibt, bleiben sie wesentlich besser im Gedächtnis und man muss sich drinnen an der Staffelei nicht nur an Fotos halten, sondern kann von den Notizen und kurzen Skizzen profitieren.

Skizzen sind für mich wirklich wichtig geworden, ich benutze sie inzwischen wirklich, anstatt sie nur anzufertigen und als hübsch oder weniger hübsch zu empfinden und mich zu freuen, dass ich irgendwas unterwegs skizziert habe. Das Anfertigen der Skizzen erfüllt nun einen bestimmten Zweck für mich, es klärt Fragen für das spätere Bild, und ich mache die Skizzen mit dem Ziel, etwas bestimmtes herausfinden zu wollen.

 

Die Skizzen sind meine Arbeitstiere geworden und ich erledige mit ihnen vor dem Malen meine Denkarbeit, so dass mich später im Malprozess Gedanken nach dem richtigen Tonwert, nach einem zu starken oder schwachen Kontrast oder nach den am besten wirkenden Formaten oder Farben nicht mehr aufhalten. Hin und wieder habe ich darüber nachgedacht, ob man nicht auch einfach mal drauf los malen sollte, bevor man alles tot plant und analysiert. Natürlich male ich auch ab und zu einfach drauf los und schaue mal, was dabei heraus kommt. Aber im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass die Bilder mit Skizzen vorneweg einfach besser sind als die anderen.

Wie schade, dass mir diese Erkenntnisse erst vergleichbar spät gekommen sind, ich habe Skizzen lange unterschätzt und sie nicht richtig zum Arbeiten genutzt. Umso schöner, dass sich das mittlerweile geändert hat und Skizzen zu einem festen Bestandteil meines Malprozesses geworden sind!