„Ach, ich würde so gerne mehr malen, aber mir fehlt einfach die Zeit!“ Wie oft man diesen Satz hört. Auch von mir selbst kenne ich das: Heute male ich! Aber erst mal eben noch eine Wäsche anschmeißen. Ach ja, einkaufen wollte ich ja auch noch. Oh, und eigentlich könnte ich nochmal schnell die Freundin anrufen, die ich so lang nicht gesehen habe. Und schon ist der Abend rum, und obwohl ich es mir fest vorgenommen hatte, habe ich keinen Strich zu Papier gebracht.
Und obwohl man eigentlich nichts lieber tun würde als zu malen, schiebt man es doch vor sich her, bis man schon gar nicht mehr weiß, wann man zuletzt den Pinsel in der Hand hatte, und bis die teuren, neuen Materialien eingestaubt und ungenutzt unter dem Regal liegen. Und jedes Mal, wenn man doch ein wenig Zeit hätte und überlegt, was man denn jetzt mal machen könnte, fällt einem garantiert eine ganz tolle, neue Ausrede ein, warum man mit dem Malen heute nicht mehr anfangen kann.
Vor einigen Jahren hat mich das so genervt, dass ich für mich selbst unbedingt einen Weg finden wollte, wieder regelmäßig zu malen. Und es hat letztendlich auch funktioniert. Also, für alle Prokrastinierer da draußen: Hier kommt mein Weg raus aus der Misere:
Feste Zeiten zum Malen reservieren, und nichts anderes planen
Fangt wenigstens mit einem Tag pro Woche an. Z.B. mittwochs ist Maltag. Alltagsbeschäftigungen werden vorher erledigt, oder sie haben Pech gehabt (dreckige Wäsche wartet auch am nächsten Tag noch, sie hat keine größere Tendenz zum Weglaufen oder zum sich-selbst-Waschen. Sie wartet geduldig, bis man fertig gemalt hat). Wenn man das ein Weilchen durchgehalten hat, wird es schnell zur selbstverständlichen Gewohnheit.
Sich selbst den Start möglichst einfach machen
Mich hat es, wie ich nach einer Weile gemerkt habe, kolossal gestört, dass ich zum Malen immer erst einmal alles aufbauen musste. Bis dann das Papier zugeschnitten war, die Kreiden auf dem Tisch standen, meine Utensilien hervorgekramt waren, war wirklich schon eine geraume Zeit verstrichen! Deshalb hat „Malen“ immer lange gedauert, und ich habe erst gar nicht losgelegt, denn "das lohnt sich jetzt nicht mehr anzufangen". In meinem Kopf war "malen" automatisch verbunden mit "dauert lange". Das musste aufhören! Also habe ich mir meinen Platz zum Malen umgebaut. Die Pastelle, fertig geschnittene Papiere, Vorlagen zum Malen, alles liegt jetzt griffbereit an Ort und Stelle. Und dieses Vorbereiten hat geholfen! Alles, was ich noch tun muss, ist einfach vor die Staffelei zu gehen und loszulegen. Was für eine riesige Erleichterung! Das Geplänkel vorab war, wie ich im Nachhinein festgestellt habe, für mich tatsächlich eine Hürde, die mich vom Malen abgehalten hat. Findet raus, was eure "Hindernisse" sind, und schafft sie ab!
Auch kurze Zeiten nutzen
Es muss nicht immer gleich ein halber oder ganzer Tag sein. Ich schnappe mir oft einfach kleine Papierformate, die gerade greifbar sind, und male einfach eine Viertel- bis halbe Stunde zwischendurch. Wenn ich Zeit und Lust habe, male ich weiter, und wenn es nicht passt, höre ich eben auf. Niemand sagt, dass ich mit einem Bild in einer Sitzung fertig werden muss, oder? Oder dass am Ende jedes Malens immer ein großes, fertiges Bild stehen muss. Auch diese kurzen Zeitfenster helfen schon weiter, weil man einfach den ersten Schritt gemacht und losgelegt hat.
Kleine Formate und unkomplizierte Motive
In kurzen Zeitfenstern malt man natürlich keine gigantisch großen Bilder. Mir hat es geholfen, auch kleine Formate etwa in Postkartengröße oder kleiner, und dann auch eher unkomplizierte Motive zu malen. Nach einer Weile findet man sich in diese Formate und Motive gut ein, und kann wirklich viel dabei lernen. Und wenn doch mal etwas mehr Luft ist, kann man immernoch größer malen.
Das Ergebnis ist irrelevant.
Mein Ziel war, einfach mehr zu malen, und regelmäßig zu malen. Ich wollte mir keinen Kopf um vermeintlich tolle Ergebnisse machen, denn das perfekte Bild war nicht mein Ziel. Wenn das Ergebnis mir nicht gefällt, kann ich getrost mit den Schultern zucken, dieses Bild abhaken und ein neues anfangen. Es geht mir bei der Regelmäßigkeit ums Malen, nicht um das Ergebnis. Manchmal versuche ich auch herauszufinden, was an einem Bild nicht stimmt. Wenn ich das herausfinden kann und am nächsten Tag das Motiv erneut male, passt es meistens.
Skizzenbuch immer bei Fuß
Ich habe mehrere Skizzenbücher im Mini-Format, die ich wirklich immer bei mir habe (im Rucksack, in der Jackentasche, im Handschuhfach), und die werden auch nicht weggeräumt. Wenn ich etwas sehe, das mir malenswert erscheint, mache eine schnelle Skizze. Es gibt in meinen Büchern mittlerweile Skizzen von Straßenschildern (es war Stau, ich konnte malen), von Zapfsäulen und Rückspiegeln (Warten an der Tankstelle), und von diverse Wartezimmerstühlen oder Parkbänken. Skizzieren vertreibt angenehm jede Wartezeit, trainiert den Blick und macht glücklich.
Mit diesen kleinen Tricks ist es mir wirklich gelungen, regelmäßig zu malen. Selbst die kürzeste Zeit an der Staffelei und die kleinste Skizze sind eine große Bereicherung für mich, und es macht so zufrieden, einfach gemalt zu haben - egal wie groß oder klein oder rudimentär. Ich kann nur jedem empfehlen, alles, was einen am Malen hindert, bewusst aus dem Weg zu räumen und einfach loszulegen – keine Ausreden mehr.
Ein anderer Maler hat das Phänomen des Prokrastinierens ebenfalls einmal beschrieben. Seine Ausrede war, dass seine Katze Welpen bekommen hatte. Um die musste er sich schließlich kümmern, da konnte er ja gar nicht malen! Irgendwann waren die Katzen längst groß, mehr gemalt hatte er immernoch nicht. Es gab genug neue Ausreden. Sein Fazit, um wieder ans Malen zu kommen (natürlich im übertragenen Sinne): „Es wird immer irgendwelche Katzenwelpen geben. Werdet eure Katzen los!“